Kopfgrafik Förderung von Migrantinnen

„In Deutschland ist Altkleidung Müll, wir machen daraus ein Produkt“

Koordinierungsstelle Migration und Bildung stellt Wirtschaftsbetriebe im Landkreis vor

Landkreis.
Es gibt zahlreiche Wirtschaftsbetriebe, die von Migrantinnen und Migranten im
Landkreis Nienburg geführt werden – von Menschen, die in erster, zweiter oder
dritter Generation hier leben, sich eine eigene Existenz aufgebaut und
Arbeitsplätze im Landkreis geschaffen haben. In loser Folge stellt die
Koordinierungsstelle Migration und Bildung des Landkreises unterschiedlich
große Betriebe aus verschiedenen Kommunen vor, stellvertretend für ähnliche
Betriebe überall im Landkreis. Die Steyerberger Firma ADMA Import und Export
GmbH & Co. KG ist ein Textil- und Schuh-Recycling-Unternehmen, welches sowohl
den europäischen als auch den afrikanischen Markt bedient. In dieser Branche
ist das Unternehmen seit über 20 Jahren tätig, überwiegend in Uganda, Ruanda,
Tansania, Deutschland und Polen, aber auch in China und Dubai.

Das Foto zeigt (von links): Claudia Eckhardt (Koordinierungsstelle), Abdul Aziz Dakik,   Mouin Hammoud, Olga Stobbe, Abdul Karim Dakik, Andreas Raetsch, Heinz-Jürgen Weber und Christian Alvermann. Foto: Landkreis Nienburg

Geleitet
wird die Steyerberger Firma ADMA von den drei Geschäftsführern Abdul Karim Dakik, Abdul Aziz Dakik
und Mouin Hammoud. Letztere ist gebürtiger Libanese, als Kind mit seinen Eltern
vor den dortigen Unruhen nach Deutschland geflohen, hier aufgewachsen und
mittlerweile deutscher Staatsbürger. Die Familie Dakik kommt ursprünglich
ebenfalls aus dem Libanon, floh aber in den 1950er Jahren aufgrund der
politischen Unruhen nach Liberia, dort baute der Vater ein Handelsunternehmen
auf. Als er nach einem Autounfall
starb, übernahm erst der älteste Sohn, nach deren Volljährigkeit unterstützt
von seinen fünf Brüdern, die Firmenleitung. Aus Liberia floh die Familie 1990
aufgrund des dortigen Bürgerkrieges, die sechs Brüder bauten neue Firmen in
Tansania, Uganda, Ruanda und Sambia auf. Der 55-jährige Geschäftsführer Abdul Aziz Dakik lebt in Uganda und hat die
libanesische Staatsbürgerschaft. In seiner Keksfabrik in Ruanda sind 400
Angestellte beschäftigt, in Uganda arbeiten seine 50 Angestellten in der
Flaschenherstellung und im Recyclingbereich. Sein älterer Bruder Abdul Karim Dakik lebt und arbeitet
seit 1990 in Tansania und nahm 2015
auf Wunsch von tansanischen Regierungsvertretern die dortige Staatsbürgerschaft
an, von diesen als Wunsch an ihn herangetragen als Anerkennung für sein
dortiges wirtschaftliches und soziales Engagement. Der 59-jährige beschäftigt
in Tansania 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in drei Unternehmen, in der
Immobilien-, Transport- und Nahrungsmittel- sowie Textilbranche. In Steyerberg
arbeiten derzeit 25
sozialversicherungspflichtige Angestellte, 50 Personen sollen langfristig
Vollzeitarbeitsstellen finden. 2020 wollen die drei Geschäftsführer bereits
zwölf neue Personen beschäftigen, um den Bereich der Vorsortierung auszubauen.
Wie viele Betriebe in Deutschland hat ADMA allerdings jetzt schon
Schwierigkeiten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden.

„Es
wurden über zwei Millionen Euro in den Steyerberger Standort investiert, mein
Bruder und ich zahlen in Deutschland Steuern, sind hier krankenversichert,“ so
der tansanische Geschäftsmann Abdul Karim Dakik, „der Vergleich unserer
Investitionen in Deutschland mit dem, was für unsere Firma und uns persönlich
zurzeit rausspringt, das lohnt sich nicht – aber wir schauen zuversichtlich in die Zukunft.“ Auf
Nachfrage zu den Gründen einer Betriebsgründung in Deutschland verweist er auf
die zwei Länder, aus denen er kriegsbedingt in seinem Leben bereits flüchten
musste und die Sicherheit, die der demokratische Rechtsstaat für die Menschen
hier gewährleistet. „Wir machen das für die
Zukunft unsere Kinder“, so die beiden Dakik-Brüder im Interview. Die
Geschäftsgrundlage in Deutschland kam durch den Kontakt zu dem Sulinger Mouin Hammoud und der
Vermittlung des Wirtschafsförderers Christian Alvermann zustande. „ADMA bringt
sich vorbildlich in das Gemeindeleben ein, zum Beispiel durch sein Sponsoring
der Sportvereine und des E-Busses, damit ältere Bedürftige in ihrer Mobilität
unterstützt werden. Die Firma ist eine große wirtschaftliche Bereicherung im
Flecken Steyerberg und hat eine Gewerbebrache wieder mit Leben gefüllt“, so
Bürgermeister Heinz-Jürgen Weber.

Der Steyerberger
Bürgermeister verweist auf das große Engagement des IHK-Geschäftsführers
Andreas Raetsch sowie der Ausländerbehörde des Landkreises. Die beiden
Dakik-Brüder besitzen mittlerweile eine sogenannte befristete
Aufenthaltserlaubnis für eine qualifizierte Beschäftigung im öffentlichen
Interesse. „Das vorherige 90-Tage-Visum, das war für das operative Geschäft
absolut negativ“, so der deutsche Geschäftsführer Mouin Hammoud. Verärgert sind
alle drei Geschäftsführer über die Verfahrensweise der deutschen Botschaft in
Beirut bei der Erteilung der Besuchsvisa für die Ehefrauen Dakik. Abdul Aziz
Dakiks Frau bekam ein Visum von der deutschen Botschaft, um ihren Mann auf
Geschäftsreise nach Deutschland zu begleiten, Abdul Karim Dakiks Frau wurde
dieses von derselben deutschen Botschaft mit den Satz „Der Zweck und die
Bedingungen des beabsichtigten Aufenthaltes wurden nicht nachgewiesen“
verweigert.

ADMA
exportiert seit 2015 Recycling-Produkte auf den afrikanischen Kontinent, kauft
Altkleider und –schuhe von namenhaften
Warenhausketten, ebenso vom dänischen und deutschen Roten Kreuz.  Bis 2018 wurden nur Schuhe verarbeitet,
seitdem auch Altkleidung. „80 Prozent der Kleidung, die wir kaufen, ist
weiterhin tragbar“, erläutert Abdul Karim Dakik. „Wir kennen die Bedürfnisse und die Kaufkraft des
afrikanischen Marktes. 90 Prozent des Geschäftes erfolgt über die Frauen, die
mit ADMA mittlerweile eine bestimmt Qualität verbinden.“

Die
Auswirkungen der EU-Richtlinien auf die afrikanische Textilindustrie sind
allerdings auch durchaus kritisch zu hinterfragen, gleichzeitig ernähren nach
Aussage von Abdul Karim Dakik allein in Marokko 30 000 Frauen ihre Familien
durch den Weiterverkauf. Nach EU-Recht müssen mindestens  35 Prozent 
der gesammelten Textilien recycelt werden, der Rest darf nach wie vor
verbrannt werden. ADMA verwertet 80 Prozent wieder, recycelt  20 Prozent. Wenn in Deutschland die
Altkleider- und –schuhe langfristig nicht sachgerecht getrennt und recycelt
werden, werde dies große Auswirkungen auf die Umwelt haben, da sind sich die
drei Geschäftsführer im Interview einig. Teppiche, Schuhe, Kleidung, alles  kann vorsortiert und recycelt werden, das
Ziel des zertifizierten Entsorgungsfachbetriebes ADMA ist die 100-Prozent-Marke
bei der Wiederverwertung zu erreichen 
„Es wäre billiger, Altkleider
und Schuhe zu verbrennen, als zu sortieren, aber unsere Firma arbeitet
nachhaltig,“ so der 44-jährige Mouin Hammoud abschließend im Interview.

Pressemitteilung des Landkreises Nienburg vom 29.11.2019